Die technische Prüfung der extrahierten Substanzen in Umformversuchen erfolgt in zwei Schritten. Zuerst werden Untersuchungen mit kleinen Schmierstoffvolumina anhand von umformtechnischen Modellversuchen. Hierzu zählen insbesondere Streifen- und Stabzugversuche sowie Zylinder- und Ringtauchversuche. Damit wird ein repräsentatives Feld an Umformprozessen abgebildet, die eine ähnliche relative Flächenpressung aufweisen wie die anschließenden, korrespondierenden praxisnahen Umformversuche. Hierzu zählen Tiefziehversuche und Versuche zur Blechumformung mit variierenden Werkstückgeometrien, Blechwerkstoffen und Niederhalterkräften. Die Massivumformung wird durch Versuche zum Fließpressen, Abstreckziehen und Gewindewalzen repräsentiert.
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Im Produktionstechnischen Labor der Hochschule Wismar kann ein breites Spektrum an Umformversuchen durchgeführt werden. Während einige Versuche wie z.B. das Tiefziehen jährlich in der Lehre Anwendung finden, werden andere Schmierstoffprüfversuche erstmalig realisiert. Für diese ist zunächst ein Umbau der vorhandenen Technik und Konstruktion der Umformwerkzeuge nötig. In der Zerspanungstechnik des produktionstechnischen Labors werden die benötigten Teile gefertigt, zusätzlich unterstützt durch die Zentralwerkstatt der Hochschule.
Ringstauchversuch nach Burgdorf
Beim Ringstauchversuch nach Burgdorf (1967) handelt es sich um einen Modellversuch im Labormaßstab. Rundmaterialabschnitte aus Aluminium (99,5%) im Durchmesser von 20mm werden zentriert aufgerieben mit einem Innendurchmesser von 5mm. Die 6,6mm hohen Ringproben werden mit der hydraulischen Presse auf 3,3mm gestaucht, hierbei wird in Versuchen ohne Schmierstoff eine Presskraft von ca. 70kN gemessen. Je nach Schmierstoff verändern sich die Reibverhältnisse zwischen Werkzeug und Werkstück, so dass sich durch die Verschiebung des Fließscheidenradius im inneren der Ringprobe unterschiedliche Innendurchmesser nach dem Stauchen ergeben. Außerdem kann bei einer Wölbung der Probe nach außen von einer hohen Reibung ausgegangen werden, bei einer Wölbung nach innen jedoch von geringer Reibung und somit guten Schmierbedingungen. Die Ringproben der unterschiedlichen Schmierstoff-Reihen werden messtechnisch erfasst und ausgewertet. So können Schmierstoff-Additive bereits im Laborversuch eingeschätzt werden, um weniger leistungsstarke Varianten u.U. aus den folgenden Technikumsversuchen auszuklammern. Ein Video dazu.
Streifenzugversuch nach Schlosser
Der Streifenzugversuch (oder je nach Blechdicke auch Stabzug) wird angelehnt an den Versuchen von Schlosser (1967) durchgeführt. Der Modellversuch im Technikumsmaßstab wird an einer selbstkonfigurierten Grundrekonstruktion eines Zugversuchsprüfstands mit Zugkraftmessung durchgeführt. Hierzu wird der obere Teil der Werkstückeinspannung ausgebaut und durch ein Ziehwerkzeug ersetzt. In der unteren Einspannung wird die Streifenprobe eingespannt und an der vorverjüngten Position in die Ziehbacken eingelegt. Bei laufender Zug- und Querkraftmessung wird die Streifenprobe je nach Material verjüngt: Die Aluminium-Proben (99,5%) von einer Ausgangsdicke von 5mm auf 4mm, die Stahlproben (DC01 Weichstahl) von 2mm auf 1,8mm. Die Auswertung der Kraftmessungen gibt Aufschluss über den Reibzustand zwischen Werkzeug und Streifenprobe und somit über die Leistungsfähigkeit des Schmierstoffs- bzw. Schmierstoffadditivs. Zusätzlich können die Oberflächen der Streifenproben und Ziehwerkzeuge vor und nach der Umformung untersucht werden, um den Einfluss der Additive auf den Werkzeugverschleiß zu erhalten. Eine Animation zum Einbau und ein Video zum Versuch.
Streifenzugversuch nach Kawei
Geplant ist außerdem eine modifizierte Variante des Streifenzuges, der ebenfalls einen Modellversuch Technikumsmaßstab darstellt. Ausgehend vom Streifenzugversuch nach Schlosser werden beim Streifenzug nach Kawei zusätzlich Bremskörper seitlich der Zugwerkzeuge angebracht. So wird ein seitliches Aufstauchen des Probenmaterials verhindert und die entstehenden Querkräfte können ergänzend erfasst werden. Eine Animation zum Einbau und ein Video zum Versuch.
Drahtziehen
Eine weitere Modifizierung des Streifenzugversuchs stellt das Drahtziehen dar. Der Modellversuch im Technikumsmaßstab ermöglicht eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Additive für das industrielle Drahtziehen. Es wird Rundmaterial durch eine Matrize gezogen und so im Durchmesser verjüngt. Bei ungünstigen Reibbedingungen wird von einem Reißen des Drahtes bei ansonsten gleichen Versuchsbedingungen ausgegangen.
Tiefziehen
Auf der hydraulischen Presse werden Tiefziehnäpfe gezogen. Der Reibzustand zwischen Werkstück und Werkzeug kann mittels der benötigten Presskraft sowie der Faltenbildung am Napf eingeschätzt werden.
Gewindewalzen
Als weiterer Modellversuch im Technikumsmaßstab wird das Walzen eines Gewindes konzipiert. Die Walze wird standardmäßig im Schmierstoff-Umlauf betrieben, für die Versuche mit zu erprobenden Schmierstoffen bzw. Additiven wird ein Schmierstoff-Durchlauf installiert.
Fließpressen
Abschließend wird ein Modellversuch im Technikumsmaßstab als Fließpress-Umformung angestrebt. Dieser kann das Verhalten des Schmierstoffs unter erhöhten Drücken abbilden. Die Tauglichkeit der vorhandenen Hydraulischen Presse für kleinere Fließpressversuche ist allerdings noch zu validieren.